Hallo Ihr Lieben,
ich habe mal versucht, die Erlebnisse meines ersten Auftrittes in der
Öffentlichkeit in Worte zu fassen, die eher der Seele als dem Verstand
entspringen.
Hier mein Erlebnisbericht vom Oberhausener Treffen:
Indira - Von der Zimmertranse zur selbstbewussten Frau (Eine wahre Geschichte)
.....es ist der 25.August 2008. Ich bin zu Hause. „Special-Trade“ hat
meine neuen Silikon-Brüste geliefert. Ich muss sie sofort ausprobieren.
Sie sind einzig! Ein herrliches Gefühl, wenn beim Rauchen meine Arme an
meinen weichen Brüsten vorbeigleiten ..... ich fühle mich, als hätte
ich einen wirklichen weiblichen Busen.
Ich sehe einen Flyer: www.projekt-en-femme.de. Naja, ich kann ja mal reinschauen.
Eine rote Seite öffnet sich. Das sieht doch tatsächlich interessant
aus. Hmmm.... die Seite ist nicht öffentlich zugänglich. Ich kann mich
ja mal anmelden.... Mit einem flauen Gefühl im Magen gebe ich meine
Daten ein (....und wenn das nun jemand liest, der mich kennt ?). Ein
Bild ? Neiiiiin ..... um Gottes Willen...... ich kann mich doch nicht
öffentlich outen !!!!
Ich lese. In den Forenbeiträgen gibt es Dinge, die ich schon weiss und
Dinge, die neu sind. Was ist das ? Events ? Lass mal lesen ! Cool
Bilder !
Na die haben ja Mut, sich einfach irgendwo in der Öffentlichkeit
zeigen. Ich bin neidisch. Ich stelle mir vor, ich wäre dabei
gewesen......
Verdammt, der Gedanke kreiselt ständig in meinem Hinterkopf. Und wenn
ich nun auch mal gehe ? NEIN ‚! Kommt gar nicht in Frage. Da sind
bestimmt auch andere Leute.... Die sehen mir sofort an was los ist!
*grübel* Aber andere trauen sich auch. Die haben sich doch sicher nicht
alle geoutet. Ich lese, dass am 18.10.08 ein Treffen in Oberhausen
stattfindet. Meine Gedanken schießen Kabolz. Ich wage es zu schreiben,
dass ich eigentlich gern würde, aber mich nicht getraue. Peng !! nun
ist es passiert. Ich kriege plötzlich Nachrichten, Antworten und dann
sogar E-Mails. Sie sind lieb und freundlich. Ich fühle mich plötzlich
irgendwie geborgen. Donnerwetter, die sagen alle das gleiche: ist nur
Kopfkino – da passiert nichts mit Dir – du wirst es lieben. Ich bim
verwirrt. Ist das eigentlich alles nur mein eigener Hirn-Krawall der da
ständig an mir nagt? Gott, wäre das toll. Ich als Frau in der
Öffentlichkeit. Soll ich ???
Oberhausen ist weit weg! Niemand kennt mich dort! Das Fernsehen wird
wohl nicht gleich über mich berichten! Ich habe gelesen, dass alle im
Stadt-Gut-Hotel übernachten. Mit zittrigen Fingern wähle ich die
Nummer. Schei..... alles ausgebucht. Was nun ? Ok, der Gedanke an die
„öffentliche Frau“ hält mich total gefangen. Jetzt ist es egal. Ich
buche ein Zimmer im NH-Hotel. Irgendwie wird’s schon gehen.
Heid schreibt alle wollen am Samstag in die City. Whow, wär das cool.
Ich kann schon fast an nichts anderes mehr denken. Ich will das !!!!
Ich buche noch eine Nacht dazu und gehe ins Bett. Schlafen ? Kein
Gedanke. Mein Herz schlägt, als wären Bongos drin. Ich zittere vor
Aufregung, wälze mich hin und her. Ich sehe mich in Rock, Stiefeln und
Jacke aufgestylt durch ein imaginäres Einkaufszentrum laufen. Es ist 3
Uhr, ich nehme eine Schlaftablette. Die kommenden Wochen sind erfüllt
von Einkäufen und online-Bestellungen. Als Zimmertranse
habe ich keine vernünftige Jacke, auch keine Handtasche. Du lieber
Gott, ein Portemonaie brauche ich auch, ich kann doch dort nicht mit
einem Männergeldbeutel hantieren und Kosmetika – auweia, ich habe ja
gar keinen Schmuck. Was ziehe ich denn an? So geht das die ganze Zeit.
Ich bin total aufgebohrt.
Nach 3 Wochen und einer kompletten Packung Schlaftabletten ist das
ersehnte und gefürchtete Wochenende da ! Am Abend vorher habe ich
meinen Körper rasiert: Wenn schon, dann richtig, sage ich mir! Wahnsinn
!! Was für ein Gefühl !!
Ich bin den ganzen Tag total nervös. Mache Fehler im Job. Nachmittags
geht’s dann auf die Autobahn. Es ist voll. Der Verkehr nervt aber er
lenkt mich ab. Das Navi bringt mich sicher ans Ziel. Ich checke im
Hotel ein. Einen Koffer und eine Reisetasche für 2 Nächte ? Das muss ja
auffallen. Die wissen bestimmt alle was ich vorhabe !
Aber komisch, keiner sagt was. Treffpunkt am Freitag Abend ist schon
mal die „Distel“. Ich telefoniere mit Heidi. Wie soll ich das machen ?
Umziehen und als Frau aus dem Hotel ??? UNMÖGLICH !!!! Heidi sagt, ich
könne auch als Mann kommen. Das mache ich!!
Mein Navi führt mich sicher hin. Ich trete ein.
Hey, welch herzliche Begrüßung, die sind aber lieb ! Wir reden den
ganzen Abend über meine Lieblingsthemen. Angst und Nervosität weichen
einem Grummeln im Bauch. Am anderen Morgen soll gemeinsames Frühstück
im Stadtgut-Hotel sein. En femme ! Ach herrje, wie soll denn das
funktionieren ? Mandy bietet mir an, dass ich mich bei Ihr im
Hotelzimmer umziehen und stylen kann. Zwangsläufig nehme ich das
Angebot an. Ich habe meine Schlaftabletten vergessen. Gegen Morgen
schlafe ich ein – 1 Stunde !
Nach dem Aufstehen und der üblichen Morgentoilette gehe ich mit der
Reisetasche als Mann aus dem Hotel. Keiner sieht mich, als ich in das
Hotel komme. Mandy ist fast fertig. Ich ziehe mich um. Mir ist
schlecht! Mein Herz schlägt bis zum Hals!
Meine Hände zittern beim Schminken. Ich trage einen schwarzen
kniefreien Rock, ein schwarzes Top, dunkelblaue Stiefel und meine neue
Jacke mit Fellrand an der Kapuze. Ich bin fertig. Jetzt muss ich raus
!!!! Unten angekommen sitzen alle „en femme“ beim Frühstück. Ich nehme
all meinen Mut zusammen und frage den Mann an der Rezeption mit leiser
Stimme, ob ich als Hotelfremder gegen Bezahlung für zwei Tage ein
Frühstück bekomme. Er antwortet total freundlich: „Sicher, kein
Problem!“ Was ist das ?? Er hat mich nicht schief angesehen, er hat
nicht abwertend mit mir gesprochen, er war einfach nur freundlich !!
Dreht sich die Welt noch ?? Oder träume ich ? Nix ist passiert, ausser,
dass ich jetzt in Ruhe frühstücken kann. Ich begrüße die nun schon
Bekannten Mädels und da passiert es ! Es fällt plötzlich wie ein
riesengroßer Felsklotz von mir ab ((verdammt, ich krieg Gänsehaut beim
Schreiben)). Plötzlich fühle ich mich ganz frei. Mein Herz hüpft vor
Freude. Ich muss essen, reden, Kaffee trinken.
Ich habe das Gefühl, ein neues Leben ist angebrochen. Nach dem
Frühstück sitze ich relaxed bei einer Zigarette. Fremde Leute kommen
herein. Es stört mich nicht. Ich schaue Ihnen ruhig in die Augen. Sie
gehen erzählend vorbei. Es ist alles normal. Kein Blitz, kein Donner!
....... alles ganz normal.......
Wir gehen zum Auto. Mein Herz klopft wieder. Nicht so sehr wie vorher, aber eine gewisse Aufregung kann ich nicht leugnen.
Wir sind im Centro, das Auto ist geparkt. Wir laufen ins
Einkaufszentrum. Unzählige Leute um uns herum. Manche schauen
interessiert, die meisten interessieren sich nicht für uns. Ich bin nun
wieder die Ruhe selbst. Wir treffen Gabi. Herzliche Begrüßung !!
Habe einen meiner Ohrclips verloren. Gabi weiss eine Boutique. Ich
werde fündig. Kann anprobieren. Keiner interessiert sich dafür !! Whow,
was für ein Gefühl. Wir gehen an die Kasse. Die Verkäuferinnen sind
nett .... aber ?? Nix aber, einfach nur nett ! Was ist los ? Ich
verstehe die Welt nicht mehr !
Ich fühle mich wie eine Frau !!! Alle behandeln mich wie eine Frau !!!! Hey, ich bin ein Frau !!!! Ich schwebe auf Wolke 7 !!
Wir trinken Kaffee, wir gehen shoppen (mit anprobieren). Ich bin glücklich. Im Kreise meiner Freundinnen. Alles Frauen !
Zum Schluss Eis essen ! Im Eiscafe. Ich muss zur Toilette. Ein mulmiges
Gefühl macht sich wieder in meinem Magen breit. Welche Toilette ist
eigentlich keine Frage. Es gibt nur eine wo ich hinkann. So wie ich
aussehe, kann ich mich schlecht an ein Pissoir stellen. Auch das
verläuft ohne Probleme. Die andere Frau in der Toilette macht mir
wortlos vor dem Spiegel Platz.
Ich kehre „allein“ zurück zu unserem Tisch. Keiner grinst blöd. Eine
Frau lächelt mich an und setzt das Gespräch mit Ihrem Mann fort. Jozy
mit Frau und Carola stoßen zu uns. Und da ist es wieder ^^^^ PUFF ^^^^
die Angst ist wie weggeblasen. Ich bin einfach nur „Frau“. Es ist kühl
– aber mir ist warm ums Herz.
Wie kriege ich das heute abend hin ? Ich möchte am Abend gern etwas
trinken. Heidi bietet mir an, mich mitzunehmen und hinterher an meinem
Hotel abzusetzen. Fahre ich als Mann ins Stadtgut-Hotel, muss ich als
Frau in mein Hotel und meine Männer- aber auch meine Schmink-Utensilien
sind vor dem Stadtgut-Hotel. Ich habe keine Scheu mehr. Ich beschließe,
als Frau in mein Hotel zu fahren. Das ist cool ! Ich fahre en-femme mit
meinem Auto durch die Stadt, parke im Parkhaus und laufe
weiblicherweise in mein Hotel. Von der Rezeption fange ich einen kurzen
Blick ein. Keiner verbrennt mich auf dem Scheiterhaufen! Ich schminke
mich ab und ruhe etwas. Frisch gestylt und umgezogen verlasse ich mein
Zimmer. Im Fahrstuhl steht ein junger Mann. Es lässt mich kalt. Kein
dummer Blick, keine Anmache, kein Grinsen. Zur Rezeption werfe ich mit
weicher Stimme ein kurzes „Tschüss“ herüber. Man erwidert meinen Gruß
freundlich. Ich laufe „en-femme“ allein durch die Stadt zum
Stadtgut-Hotel. Wir fahren zur Distel.
Es wird ein wunderschöner Abend mit Gleichgesinnten und Biofrauen. Es
gibt viele neue Eindrücke, Tipps und Ideen. Lange Gespräche und
„wohlfühlen“ als Frau. Ich bin immer noch Frau. Am Ende fährt mich
Heidi ins Hotel. Pahh – nichts besonderes.
Ich kann in dieser Nacht schlafen.
Am anderen Morgen, nach dem Frühstück (en-femme, versteht sich) setze
ich mich so wie ich bin in mein Auto. Chrissy ist dabei, wir haben den
gleichen Weg. Ich fahre dreiviertel der Strecke als Frau. Zu Hause kann
ich mich nicht outen. Aber irgendwie hat ein neues Leben für mich
begonnen. Ich bin der nicht mehr die gleiche wie auf dem Hinweg. Ich
bin nicht mutig ! Nur selbstbewusst ! Und nichts kann mich daran
hindern, das zu wiederholen.
Ich werde wieder aufgeregt sein beim nächsten Mal ! Aber nur noch vor Freude !!!!
Danke Ihre Lieben !
Ihr habt mir das Tor zu einer neuen Welt aufgestoßen !!
Indira